Thema: Ausgang
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09.08.2019, 09:57 #1
gefaltet
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Ausgang
Ausgang
sie lebte in den Tag hinein
die Kinder waren aus dem Haus
der Gatte mit der Freundin aus
zurückgeblieben sie allein
ihr Heim schien kalt und riesengross
sie wanderte von Raum zu Raum
war leer und ohne einen Traum
und fragte sich: was mach ich bloss
im Spiegel sah sie eine Frau
noch immer schön und gut gebaut
doch längst sich nichts mehr zugetraut
sie griff zum Glas und trank sich blau
am nächsten Morgen ist sie cool
befestigt unterm Dach ein Seil
betrinkt sich auch erneut derweil
und klettert stoisch auf den Stuhl
sie legt das Seil um ihren Hals
der letzte Schritt - bestenfalls
L.A.F.
Dank geht an gugolGeändert von L.A.F. (09.08.2019 um 10:28 Uhr)
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10.08.2019, 10:25 #2
gefaltet
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Ach Hi, i, wie blöd war ich, dir als critical friend die letzten zwei Zeilen ausreden zu wollen! In ihnen steckt der Kern des Gedichts, was ich zunächst nicht erkannte. Davor beschreibst du eine Szene, wie sie schon oft beschrieben wurde, jedoch auf ein subtile und äusserst lesenswerte Art. LG gugol
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10.08.2019, 22:28 #3
gefaltet
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Ach gugol, du hast mir in S3Z3 „doch längst sich nichts mehr zugetraut“ einen verheerenden zeitlichen Ablauf-Denkfehler rauszuarbeiten
geholfen, und ja, wegen der zweideutigen letzten Zeile eignet sich weder Duesteres noch Hoffnung&Froehliches. Und ja,
ich arbeite im Gedicht mit einfachen, nachvollziehbaren Bildern und Saetzen, um ein moegliches tragisches Schicksal
einer Mutter und Gattin zu erzaehlen, LG, L.
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10.08.2019, 22:56 #4
gebügelt
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Hallo Hi i,
wenn du die Zeiledoch längst sich nichts mehr zugetraut
hat lange sich nichts zugetraut
dann könntest du zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Zum einen löst du die Inversion auf und zum anderen verbindest du die Erkenntnis mit der Tat am Ende.
betrinkt sich auch erneut derweil
sie legt das Seil um ihren Hals
der letzte Schritt - bestenfalls
der letzte Schritt wirds bestenfalls
Was meinst Du?
LG amandaGeändert von amanda luna (10.08.2019 um 23:03 Uhr)
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11.08.2019, 08:25 #5
gefaltet
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Hey Amanda, dein Vorschlag entspricht der Ursprungsversion. Hi, i hat mich gebeten zu erklären, warum sie nicht funktioniert.
S1 bis 3 sind in Vergangenheit (Präteritum) erzählt, S4 (neuer Tag) in Präsens. Der Zeit-Wechsel an genau dieser Stelle ist super wichtig.
Wenn also S3Z3 etwas schildert, was schon vor der Erzählung in Vergangenheit war, dann kannst du dafür nicht das Perfekt (hat sich...) nehmen, sondern musst auf das Plusquamperfekt (hatte sich...) ausweichen.
Anderes Beispiel:
Sie geht nun, bis eben hat sie geschlafen (Erzählung in Gegenwart)
Sie ging, bis kurz davor hatte sie geschlafen (Erzählung in Vergangenheit)
Falsch wäre:
Sie ging, bis kurz davor hat sie geschlafen
Im Grunde müsste man bei S3Z3 gar nicht auf eine andere Zeit ausweichen: doch die sich längst schon nichts mehr traute wäre korrekt. Aber damit ist der Reim im Eimer.
Wenn also mit zugetraut, dann hatte. Da das aber metrisch schlecht war, entschlossen wir uns, in Z2/3 ganz auf die Hilfsverben zu verzichten, indem es nach Z1 einen gedachten Doppelpunkt hat und das Folgende diesen Blick in den Spiegel näher beschreibt. So sind es keine karg'schen Satzverstümmelungen. Eigentlich ist es auch keine Inversion, nur das längst an einem etwas ungewohnten Platz.
Würde man den Blick in den Spiegel doch als Präsens fassen und den Zeitenwechsel damit aufweichen, gäbe es schon Varianten, z.B. diese von Hi, i:
doch die sich längst schon nichts mehr traut
Die anderen von dir angemerkten Stellen wurden ebenfalls rege diskutiert. Aber da überlasse ich das Antworten Hi, i. LG gugolGeändert von Gugol (11.08.2019 um 09:03 Uhr)
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11.08.2019, 09:39 #6
gebügelt
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Hallo ihr beiden,
das ist logisch.
Ihr habt das heimlich diskutiert. Sorry, dann freilich nehme ich alles zurück. Zudem Deine Analyse gut nachvollziehbar ist.
Danke für die Aufklärung
LG amanda
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11.08.2019, 09:42 #7
gefaltet
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Hey amanda, gar nicht heimlich, deshalb auch das liebe Dankeschön unten am Gedicht.
Für ein Sorry gibts keinen Anlass, ist doch wunderbar, wenn andere wie du hier sich mit dem Text befassen. LG
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12.08.2019, 11:43 #8
gefaltet
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Hi amanda luna, danke fuer deine Gedanken. Mich duenkt (siehe #4, deine Frage, ich meine nein), du hast das Ende des Gedichtes (Titel Ausgang!) missverstanden. „der letzte Schritt“ = „sie legt das Seil um den Hals“, sie tritt also vom Selbstmord zurueck, zieht es nicht durch (bestenfalls?), ODER „der letzte Schritt“ = sie zieht den Selbstmord durch (bestenfalls?), sie macht den letzten Schritt vom Stuhl runter (mit dem Seil um den Hals). LG, deshalb kanns auch nicht "das letzte Glas" #4 sein, und nein, ich wollte den Strick nicht, sondern der Klarheit wegen beim Seil bleiben
PS: Vergiss auch nicht, es koennte ja sein, dass nach dem Selbstmord noch die Hoelle folgt, sozusagen als naechster Schritt, was weniger "bestenfalls" istGeändert von L.A.F. (12.08.2019 um 13:46 Uhr)
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12.08.2019, 17:33 #9
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das liegt wohl daran, dass ich mich für den Schritt nach vorn entscheiden würde. Wer will schon Rückschritt. Und Hölle ist mal was Neues.
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23.08.2019, 02:20 #10
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Hi, der Schritt nach vorn bedeutete hier fuer sie das Ende, jedoch ja, du meinst es wohl so, ein letztes Glas Alk und das Leben wieder in den Griff kriegen, was ja meine Zeilen als Moeglichkeit zulassen, jedoch eben, der AUSGANG (Titel!) bleibt offen
, LG
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23.08.2019, 07:41 #11
Schulz und Sühne
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Hier ist wohl genau der richtige Ort um solcherart Verhalten anhand von Vorwärts und Rückwärtsschritten zu erläutern. Weil es anonym ist um das Dargestellte als rein logisches Problem betrachten zu können ohne jemals irgendwas dran zu verstehen und ändern zu können. Hauptsache man verschweigt nichts!
Der Roman: "Verballistik"
Die Gedichte: "Auf dem Silbertablett"
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23.08.2019, 08:56 #12
gefaltet
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Hi, es ist ein Gedicht, wer weitere Hilfe braucht, muss selber googeln, L.
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