Thema: Metrum,Verfuss,Reime
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23.07.2005, 12:54 #1
gewaschen
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Hallo,
könnte mir jmd. sagen was es genau auf sich hat mit Versfuss, Metrum, weiblicher/reiner Reim und wie man, welches, bewusst einsetzt?
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23.07.2005, 14:54 #2
Mod a.D.
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Puh...
Erst einmal freue ich mich immer über Interesse hier im Sprechzimmer.
Aber deine Frage ist sehr weitläufig gestellt. Was es genau auf sich hat? Das ist nicht leicht zu beantworten, ich würde sagen: Ästhetik vermitteln.
Bevor ich aber näher darauf eingehe, erlaube mir einige Gegenfragen (damit ich weiss, auf was genau du abzielst): Wie viel Grundwissen bringst du mit bezüglich Metrum, Kadenzen, Reimen etc.?
Beherrschst du die Anwendung bereits und möchtest sie vertiefen?
Oder stellst du deine Frage im Bezug zur modernen Lyrik (freie Form)?
Liebe Grüsse,
olajaIch kam am 3. Juni nach Hause mit dem Geruch, / den er nicht ertragen konnte, / er nahm das Fleischermesser und ich schrie, / ging zurück bis zur letzten Wand, / irgendwo in der Nachbarschaft hörte ich das Stöhnen, / von zwei, die sich liebten. Vera Piller
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23.07.2005, 16:48 #3
gewaschen
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Um ehrlich zu sein habe ich bis jetzt "einfach nur so" Gedichte geschrieben, ohne tiefer darüber nachzudenken wieviele Silben, welches Metrum usw. Daher, die Peinlichkeit nun, habe ich noch kein Wissen und keine Erfahrungen gemacht, die ich vertiefen könnte. Ich würde gerne anfangen richtig Gedichte schreiben zu können, interpretieren zu können mit allem was dazu gehört. Ich hoffe, ich hab mich verständlich gemacht.
Auf deutsch: ich weiß nix, will aba alles
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23.07.2005, 17:01 #4
Mod a.D.
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Bevor man sich selbst an technische Strukturen heranwagt, lohnt es sich, darüber zu lesen. Einerseits empfehle ich dir zum Einstieg folgende Fäden in unserem Sprechzimmer:
Deutsche Metrik - Eine kurze Hilfestellung für Anfänger in einfachen Worten
Metrik, was ist das?
Übungen zur deutschen Metrik I
Andererseits empfehle ich dir in unseren Hallen Gedichte von Autoren zu lesen, welche von einem Metrum Gebrauch machen (leporello, levampyre, Nocturnal, Andvari, satchmo u.a.). Am besten liest du dir Gedichte laut vor, damit du ein Gespür für den Rhythmus erhältst.
Liebe Grüsse,
olajaIch kam am 3. Juni nach Hause mit dem Geruch, / den er nicht ertragen konnte, / er nahm das Fleischermesser und ich schrie, / ging zurück bis zur letzten Wand, / irgendwo in der Nachbarschaft hörte ich das Stöhnen, / von zwei, die sich liebten. Vera Piller
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23.07.2005, 17:31 #5
gewaschen
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Danke dir
Dann werde ich mich gleich mal dranmachen und üben, üben, üben mit der Hoffnung, dass es nützt!
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23.07.2005, 17:41 #6
Mod a.D.
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Scheu dich nicht davor, allfällige Fragen zu stellen.
Viel Erfolg!
Liebe Grüsse,
olaja
(ansonsten kannst du mich auch per Mail erreichen.)Ich kam am 3. Juni nach Hause mit dem Geruch, / den er nicht ertragen konnte, / er nahm das Fleischermesser und ich schrie, / ging zurück bis zur letzten Wand, / irgendwo in der Nachbarschaft hörte ich das Stöhnen, / von zwei, die sich liebten. Vera Piller
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23.07.2005, 22:29 #7
gewaschen
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So, ich hab mir alles sorgfältig durchgelesen und wollte nun mal testen, ob ich es verstanden habe oder nicht. Wo finde ich denn Gedichte, bei dem die Metrik beisteht?
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24.07.2005, 12:52 #8
Mod a.D.
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Spontan fällt mir dieser Faden ein:
Raffinement
Du findest dort in meiner Kritik enthalten eine Aufschlüsselung des Metrikschemas und ebenfalls Bezeichnungen der Versfüsse. Einzig bei den beiden Zäsuren gab es anschliessend Meinungsverschiedenheiten - also lass dich davon nicht zu sehr irritieren.
Das verdeutlicht übrigens: Sprachgefühl ist dennoch subjektiv.
Liebe Grüsse,
olajaIch kam am 3. Juni nach Hause mit dem Geruch, / den er nicht ertragen konnte, / er nahm das Fleischermesser und ich schrie, / ging zurück bis zur letzten Wand, / irgendwo in der Nachbarschaft hörte ich das Stöhnen, / von zwei, die sich liebten. Vera Piller
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24.07.2005, 15:44 #9
Mod a.D.
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Du hast mich auf eine Idee gebracht: Am besten analysieren wir hier gemeinsam einige Strophen.
Das Gedicht "Abend" von Rainer Maria Rilke:
Einsam hinterm letzten Haus
geht die rote Sonne schlafen,
und in ernste Schlussoktaven
klingt des Tages Jubel aus.
Lose Lichter haschen spät
noch sich auf den Dächerkanten,
wenn die Nacht schon Diamanten
in die blauen Fernen sät.
Versuch einmal das Metrikschema aufzuschlüsseln.Ich kam am 3. Juni nach Hause mit dem Geruch, / den er nicht ertragen konnte, / er nahm das Fleischermesser und ich schrie, / ging zurück bis zur letzten Wand, / irgendwo in der Nachbarschaft hörte ich das Stöhnen, / von zwei, die sich liebten. Vera Piller
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24.07.2005, 18:11 #10
gewaschen
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Erstmal tausend Dank für die Bemühungen!
Ich hab lange überlegt und sicher bin ich mir immernoch nicht. Aber ich bin zu diesem Entschluss gekommen:
XxXxXxX 7 - a
xXxXxXx 7 - b
xXxXxXx 7 - b
XxXxXxX 7 - a
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24.07.2005, 23:48 #11
Mod a.D.
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Du bist auf einem guten Weg.
Zuerst Zeile für Zeile:
Einsam hinterm letzten Haus
Xx Xx Xx X
geht die rote Sonne schlafen,
X x Xx Xx Xx
und in ernste Schlussoktaven
X x Xx XxXx
klingt des Tages Jubel aus.
X x Xx Xx X
Lose Lichter haschen spät
Xx Xx Xx X
noch sich auf den Dächerkanten,
X x X x XxXx
wenn die Nacht schon Diamanten
X x X x XxXx
in die blauen Fernen sät.
X x Xx Xx X
Daraus ergibt sich folgendes Schema:
XxXxXxX, 7 a - vierhebiger Trochäus, starke (männliche) Kadenz
XxXxXxXx, 8 b - vierhebiger Trochäus, weiche (weibliche) Kadenz
XxXxXxXx, 8 b
XxXxXxX, 7 a
Die meisten deutschen Wörter werden auf die vorletzte Silbe betont.
Das hiesse für zweisilbige Worte, wie zum Beispiel rote, Sonne, schlafen, ernste etc.: Xx
Hast du Fragen bezüglich des Schemas? Oder sonstige?
Liebe Grüsse,
olajaIch kam am 3. Juni nach Hause mit dem Geruch, / den er nicht ertragen konnte, / er nahm das Fleischermesser und ich schrie, / ging zurück bis zur letzten Wand, / irgendwo in der Nachbarschaft hörte ich das Stöhnen, / von zwei, die sich liebten. Vera Piller
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25.07.2005, 23:46 #12
gewaschen
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Wow, das ich doch was richtig gemacht habe hätte ich nicht gedacht
Im Moment hab ich keine Fragen, fehlt halt an Übung. Würde dir es etwas ausmachen, wenn du mir eventuell noch ein Gedicht zur Übung geben und auch nachgucken könntest? Wenn du keine Lust hast, ist auch kein problem
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26.07.2005, 03:33 #13
gewaschen
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Zu später Stunde, da fällt mir doch noch eine Frage ein, die ich habe, undzwar ob, bei der Metrik, jedes Wort bei jedem Gedicht gleich ist oder es sich je nach Text, Form, Art usw. ändert?
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26.07.2005, 17:13 #14
Mod a.D.
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Es freut mich, wenn ich dir helfen kann.
Zuerst zu deiner Frage:
Nein, nicht alle Wörter werden immer gleich betont. Einsilbige Wörter (es, Tag, da etc.) können sowohl betont als unbetont sein; sie passen sich der Betonung des Wortgefüges an.
Bsp. Es war ein Tag, von dem man sprach
Rein theoretisch könntest du diesen Satz: xxXxxXxx, XxXxXxXx, xXxXxXxX, XxxXxxXx, XxxXxXxX, etc. etc. betonen
Jegliche Variation, ausser zwei betonte Silbe nacheinander (wir erinnern uns), wäre möglich.
Aber: xxXxxXxx z.B. entspricht nicht dem natürlichen Betonungsrhythmus
Lies dir einmal den Satz laut und übertrieben nach den aufgelisteten Schemen vor.
Als natürlich empfinde ich: xXxXxXxX
Warum? "Tag" als Substantiv scheint für den Sinn erwähnenswerter als "ein", so auch "war", "dem" und "sprach". Es liegt in unserem Sprachemfinden, wahrscheinlich wollen wir unbewusst die Kernwörter mit einer Betonung herausheben.
Wie sieht es mit diesem Satz aus:
Dies war unser Tag und ich sprach nicht zu dir
"unser" ist ein zweisilbiges Wort und muss Xx gesprochen werden. Es liegt nahe, den Satz XxXxXxXxXxX zu sprechen.
Plötzlich wird "war" und auch "sprach" unbetont, rein sich den anderen Wörtern fügend.
Wir fassen zusammen:
Einsilbige Wörten können sowohl betont, als auch unbetont gesprochen werden.
Zweisilbige Wörter werden allermeistens auf die vorletzte Silbe betont, d.h.: Xx
Wie sieht es mit drei-, vier- sogar fünfsilbigen Wörtern aus? Auch hier gilt oft die goldene Regel: Die Betonung liegt auf der vorletzten Silbe.
Bsp. verstanden xXx "stand" bildet hierbei den Wortkern, dieser wird immer betont und wir finden ihn auch in standhaft Xx und anderen verwandten Wörtern
Aber: Aufgepasst! Häufig handelt es sich dabei um zusammengesetzte Worte (Substantive).
Bsp. Sichelmond; Sichel - Mond wird XxX gesprochen oder kann auch Xxx gesprochen werden, je nach zu Grunde liegenden Schema
Ebenfalls lohnt es sich bei Fremdwörtern im Duden nachzuschauen (dort ist die Betonung gekennzeichnet). Häufig werden lateinische oder auch griechische, französische etc. Wörter lautgetreu ins Deutsche übernommen.
Ein weiteres Gedicht zur Analyse, von Gottfried Benn:
Ein Wort
Ein Wort, ein Satz -: aus Chiffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen
und alles ballt sich zu ihm hin.
Ein Wort - ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Sternenstrich -
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und Ich.
[Geändert durch olaja am 26-07-2005 um 17:14]Ich kam am 3. Juni nach Hause mit dem Geruch, / den er nicht ertragen konnte, / er nahm das Fleischermesser und ich schrie, / ging zurück bis zur letzten Wand, / irgendwo in der Nachbarschaft hörte ich das Stöhnen, / von zwei, die sich liebten. Vera Piller
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26.07.2005, 20:22 #15
gewaschen
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Erstmal 1000 Dank für Deine Hilfe! Hat mir wirklich sehr geholfen, jetzt hoffe ich nur, dass ich auch alles richtig verstanden habe, wie sich es bei dem nächsten Gedicht zeigen wird
So:
xXxXxXxXx 9 - a
xXxXxXxX 8 - b
xXxXxXxXx 9 - a
xXxXxXxX 8 - b
In der Hoffnung, dass es richtig ist
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