Thema: Feuerprobe
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16.10.2006, 10:47 #1
DroElfteEdeLyrikProstiStuTante
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Feuerprobe
Ich ziere euch
mit heilenden Kräutern,
liebevoll pflückte ich sie
im Mondenschein,
zum Dank,
ruft ihr mich Sünderin.
Viele Gerechte stellen sich Euch
zur Rechten,
eine Schwester
auf den Weg des Reisig
zu führen.
Der Pfarrer spricht das
iudicium dei:
„Ein Gnadenakt,
ein Pulversack,
soll ihr den Halse armen.
Sie sei des Teufels linke Hand,
das Licht wird führen, mahnen.“
Ich winde mich gepfählt
und warte bangend
auf die Taufe,
welche mich,
von meinen Un-Wohltaten
erlöst.
Die Flammen zünden mir
das Kleid,
küssen meine Lippen.
Es brandet an mir,
weiter und weiter
und ich gestehe, schreie:
„Ich bin des Teufels!“
Mein Leib brodelt,
meine Augen...
Ich veratme mich hektisch.
Schlussendlich verstumme ich
in meinen Gedanken.
„Gott-gläubige“
schwärzen Herzen
sie zu reinigen.Geändert von zuckerschnäuzchen (16.10.2006 um 10:49 Uhr)
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16.10.2006, 12:33 #2
Slawische Seele
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Feuerprobe
Lieber pringles,
habe dein Gedicht fast andächtig gelesen.
Die Bilder, die dein Gedicht aus der wohl geformten Sprache erzeugt, sind klar und schmerzend. Was haben Menschen Menschen angetan, damals wie heute?
Ich nahm mir die Hexen einmal vor und ließ sie im Hexenwahn tanzen und zaubern, du hast ihre Seele und das geschehene Unrecht berührt, und das sehr nachhaltig.
Liebe Grüße
DanaDie Seele ist kein Wasser, dessen Tiefe gemessen werden kann. (ind. Sprichwort)
- Ich bin umgezogen. Meine neue Zuhause-Seite ist in meinem Profil zu finden -
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16.10.2006, 13:34 #3
Krauseminze, Minze, krause
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Hallo pringles
ein sehr gelungenes Werk mit einprägsamen Bildern, gefällt mir
wenn ich an das Thema Hexenverbrennung denke, dann vor allem an die Ungerechtigkeit der Verfahren und den Widerspruch an sich - erlösung durch verbrennung
beides ist in deinem Gedicht zur Kenntnis gekommen, das zweitere schon allein durch den Titel
Es brandet an mir,
weiter und weiter
und ich gestehe, schreie:
„Ich bin des Teufels!“
vielleicht liege ich ja falsch, aber diesen Ausgang des Gedichtes finde ich auf jeden Fall sehr interessant
gern gelesen
lg
Flamme
Sag nichts dagegen, gewiß, Du kannst alles widerlegen, aber zum Schluß ist garnichts widerlegt. (F. Kafka - Das Schloß)
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16.10.2006, 16:24 #4
DroElfteEdeLyrikProstiStuTante
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hallo ihr beiden
@dana: danke schön für die lieben worte, das ich ihre seelen berührt haben soll, will mir zwar nicht ganz einleuchten aber ich hoffe du hast recht und sie können ein wenig friedvoller ruhen in ihrem unrecht das ihnen getan wurde,schliesslich wollten sie nur helfen und ihr wissen für die menschen einsetzen, neid und angst haben schon viele leben gekostet
glg pringles
es freut mich das es dir gefallen hat
@flamme: auch dir vielen dank fürs lesen und kommentieren
"ich bin des teufels!"
fast deckend mit meiner intention, vielmehr dachte ich das die qualen genau das hervorbrachten was die anderen hören wollten, so oder so wäre sie verbrannt worden
früher war es so das wenn man verbrennt, frei von schuld war, man war keine hexe
wenn man allerdings nicht verbrannte, war man auch keine hexe, dann war es der wille gottes, welcher seine schützende hand über sie gehalten hat
allerdings wäre sie dennoch gestorben da man ein wunder damals nicht als solches akzeptierte, die menschen sahen das etwas nicht mit rechten dingen zuging und schlussfolgerten demnach
diese frau war eine hexe, ganz egal wie es ausgegangen wäre, denn die blindheit des hasses und der angst ließen sie den glauben vertreten
sie handelten in gottes namen, doch vielmehr denke ich war es der teufel der ihnen die missgunst unterbreitete, wieso sonst sollten sie eine frau hinrichten die einfach nur erfahren im umgang mit heilkräutern war, sie waren eifersüchtig und lebten streng religiös
im namen der religion haben sie sogar getötet und haben sich versteckt hinter dem vermeinen von gottes willenserklärung...als hätte er je zu den geistigen oder ihnen gesprochen
die wahren sünder standen ringsherum und schürten das feuer welches ein zuvor reines herz schwärzte.
in welchem namen also handelten diese menschen? war es wirklich gott?
vielmehr würde ich sagen das genau in dem moment der hinrichtung, es in der hexe klick gemacht hat, sie hatte erkannt das sie lieber dem teufel dient, als sich gottes regeln zu fügen, denn der teufel kann nicht schlimmer sein, vielleicht ist er auch ein oder derselbe?
es war ihr egal, sie verbrannte und hatte für sich eine entscheidung getroffen welcher sie kunde tat und wusste das sie sündenfrei war, im gegensatz zu ihren richtern und geistlichen
die hölle entsteht in den köpfen der menschen, ebenso wie der glaube
aber eines ist sicher, beides sind gefährliche waffen welche mit unterdrückung und machtgier voranschreiten
frei nach dem motto: es kann nur eine religion geben, die unsere, wer ihr nicht angehört wird gerichtet werden und in tausend feuern brennen...
himmel und hölle tun sich also nicht viel, wenn man bedenkt das man sie sich selbst erschaffen hat, als mittel zum zweck
es gibt in meinem gedicht noch mehr ebenen aber ich möchte nicht alles offen legen
glg pringles
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16.10.2006, 19:15 #5
Zeter und MODio
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Hallo pringles,
mir gefällt dein Gedicht, zumindest inhaltlich, denn mit eher freien Gedichten kann ich mich nicht wirklich anfreunden. Deshalb lasse ich die Metrik etc. mal weg
Ich werde dir mal meine Gedanken zum Inhalt erzählen:
Also auf der einen Seite natürlich die mythologische Geschichte mit der Hexenverbrennung, wurde schon drüber gesprochen, gefällt mir aber du musst mir sagen, was "iudicium dei" bedeutet. Richtspruch oder so würde ich jetzt denken.
So, natürlich kann man dein Gedicht auch aus einer anderen Sichweise betrachten. Ich habe diese Szene mal allgemein betrachtet und dann kann man dein Gedicht auch auf die heutige Zeit beziehen. Das menschliche Unverständnis für Andersartigkeit, "Gruppenzwang", Undankbarkeit, vielleicht auch die Verleumdung seines eigenen Glaubens/Denkweise etc. , weil man nicht gegen die Masse stehen will (dies jetzt auf die "Hexe" bezogen), auch Manipulation anderer um sein Denken durchzusetzen (auf die "Kirche" bezogen)....
ach man könnte ewig in deinem Text weitersuchen, es würde immer weitere Punkte geben, die sich auch auf unsere Zeit beziehen, von denen wir stark geprägt sind...
Ich hoffe diese Gedanken waren Teil deiner Intention und ich bin mir sicher es gibt noch einige mehr in deinem Gedicht,
hat mir inhaltlich sehr gefallen,
LG Chrislesen
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© Christian Glade
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16.10.2006, 22:23 #6
DroElfteEdeLyrikProstiStuTante
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huhu chris
danke für dein interesse an meinem text
iudicium dei bedeutet soviel wie gottesurteil, demnach lag deine vermutung gar nicht so daneben, im gegenteil
deine interpretation auf die neuzeit gefällt mir, du hast recht es liegt wirklich nahe, religion wird als druckmittel genutzt um die ängste der gläubigen zu schüren und sie manipulieren zu können, das man sich davon befreien muss sieht man erst wenn es zu spät ist und man im tode endet dafür
terroristen übergehen sogar diese grenze und glauben bis über den tot hinaus, allerdings ohne gewissheit zu haben erlösung zu finden, schliesslich folgen sie einem menschen und lesen diesem von den lippen, nicht einem gott, aber dieser gott darf stets als mittel zum zweck herhalten
wirklich arm finde ich wie weit menschen gehen um ans ziel zu kommen
überall erscheinen heilige kriege welche unheilig enden
danke fürs lesen und kommentieren
glg pringles
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23.10.2006, 16:05 #7
Grauzonenjunkie
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Das maschinelle (Also staatlich organisierte) Sterben von Menschen zu beschreiben, ist eine mühsame Aufgabe an sich, weil hier die Gefahr droht, weinerlich zu reüssieren oder moralisch mit dem Finger zu wedeln.
Deine Hexe erinnert mich an Robert Frosts gefrorene Vögel, die im plötzlichen Winter am Ast sterben, auf dem sie sitzen. In seinem Gedicht ging es auch um das fehlende Selbstmitleid der sterbenden Vögel. Und Dein Gedicht bekommt enorm an Schwungkraft, weil Du weder moralisierst noch auf die Tränendrüse drückst. Eine poetische Bestandsaufnahme, oder der Versuch eines objektiven Sittenbildes? Oder eine Reflektion auf die Verurteilungsfreude der Menschen - weil nicht sein kann, was nicht sein darf?
Statt Reisig klemmt man heute den Verurteilten Kabelklemmen an die Geschlechtsorgane und Brustwarzen und lässt sie unter Gelächter im Strom tanzen, bis sie brechen, sagen, wozu man sie auffordert und zerbrechen. Grundsätzlich hat sich nicht viel geändert. Die Kleidung vielleicht. Hm, und Reisig ist ja nun mal echt ätzend altmodisch, nicht?
lg/Peter
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24.10.2006, 11:16 #8
DroElfteEdeLyrikProstiStuTante
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huhu peter
ich freue mich das du dich zu worte meldest und es dich angesprochen hat
ich hatte versucht etwas zu schreiben das die gesellschaft darstellt, die geschichte ist zwar zeitgebunden und zwar in die zeit der hexenverbrennung zuzuordnen, die thematik allerdings ist frei von zeit, sie besteht auch heute noch wie du erkannt hast in abgewandelten menschlichen perversionen
denn für mich war die damalige zeit nichts anderes...pervers
vielleicht schreib ich demnächst über kerkergründe, würde mich mal interessieren wie das rüber kommt, vielleicht wäre das aber auch zu hart, ich will nämlich nicht nur verblümen
das wäre der situation nicht gerecht und auch den vielen leidenden würde ich damit eher vor den kopf stoßen wenn ich es verschönige
robert frosts gefrorene vögel kenne ich nicht, ich lese ja leider eher selten bücherlesen kann ich aber
deine parallelen von damals zu heute sind schlüssig und finden sich in meinem werk wieder, hat mir gut gefallen
vielen dank für deinen kommentar
glg pringles
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01.11.2006, 21:04 #9
gefaltet
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Hi pringles,
Ich halte mich selten in dieser Rubrik auf, doch dein Werk hier hat mich beeindruckt, ganz klar geht es dabei ja um Hexenverbrennung, wobei es auch die Menschheit im Ganzen sehr deutlich wiederspiegelt.. Der Leser brennt mit mich persönlich haben die Zeilen lange noch begleitet..
Lg Wunnie___Nicht am Rand-nein-Mittendurch___
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02.11.2006, 11:29 #10
gewaschen
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oh mann
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02.11.2006, 16:46 #11
DroElfteEdeLyrikProstiStuTante
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hallo wunnie
danke schön für deinen kommentar, ich freue mich das es dir scheinbar gefallen hat und sogar in dir nachhallen konnte, ein erfolgserlebnis für mich
ich freue mich auch das du die gegenwartsaspekte darin für dich ausmachen konntest, wie schon erwähnt gibt es wohl viele dinge die man damit vergleichen kann, die zeit geht zwar voran, der mensch selbst ändert sich aber nur schwer und kommt meißt nicht vom fleck
danke schön fürs lesen
hallo detroit
ich weiß deine knappen worte nicht recht einzuschätzen, sie können positiv wie auch negativ sein, ich hoffe einfach mal das es dir gefallen hat und wünsche dir noch viel spaß beim weiteren lesen und schreiben
glg pringles
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08.11.2006, 00:25 #12
gewaschen
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genial,ich liebe die Schlusszeilen,ich finde das geht sehr tief.
ich hoffe,du bist nicht boese,wenn ich mir dein werk rausschreibe und aufbewahre.
Ich bin erst neu in diesem Forum,aber ich werd mal schauen,was du sonst noch so niedergeschrieben hast.ich bin sehr begeistert und merke,wie weit ich noch von wahrer Dichtkunst entfernt bin.
vielen dank fuer "feuerprobe".
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08.11.2006, 00:31 #13
gewaschen
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genial,ich liebe die Schlusszeilen,ich finde das geht sehr tief.
ich hoffe,du bist nicht boese,wenn ich mir dein werk rausschreibe und aufbewahre.
Ich bin erst neu in diesem Forum,aber ich werd mal schauen,was du sonst noch so niedergeschrieben hast.ich bin sehr begeistert und merke,wie weit ich noch von wahrer Dichtkunst entfernt bin.
vielen dank fuer "feuerprobe".
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08.11.2006, 18:43 #14
DroElfteEdeLyrikProstiStuTante
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solang du es nicht für dein eigen ausgibst ist mir das einerlei, viel spaß damit und ich freue mich das es dir gefällt
glg pringles