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18.10.2006, 16:43 #1
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Jüngling verharrend in Basisphilosophie
Ich trank sehr oft mich in ein Weit
im Sommer meiner Lenden.
Auch mal in eine Übelkeit -
Man sprach das Wort „Verblenden“.
Ich fragte frech nach einem Nichts,
das schwer roch nach Geheimnis.
Was blieb, das war ein Adjektiv,
nach wittgensteinschem Gleichnis.
So blinde ich seit vielen Jahr’n
in unbekannten Welten,
die wiederum in ihren Schar’n
dem Unbewussten gelten.
Und dieses wird mir dann und wann
bewusst in Zeit und Räumen,
Erkenntnis ruht im Augenblick
und transzendiert in Träumen.
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13.11.2006, 00:10 #2
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Hallo pimpelhuber,
ich muß mich wundern. Ein so guter Text und noch kein Kommentar?
Ich bemerkte direkt beim ersten Lesen, dass Sie ein einwandfreiese Metrum verwenden, deshalb erspare ich mir eine komplette Metrikanalyse:
xXxXxXxX
xXxXxXx
xXxXxXxX
xXxXxXx
Dieses Schema halten Sie konsequent, ohne Fehler bis zum Schluss durch.
Ich trank sehr oft mich in ein Weit
im Sommer meiner Lenden.
Auch mal in eine Übelkeit -
Man sprach das Wort „Verblenden“.
Das LyrIch scheint sich in eine (Schein)Welt zu flüchten und darin gefangen zu sein, was es selber zwar nicht erkannte, jedoch von außen bemerkt wurde.
Ich fragte frech nach einem Nichts,
das schwer roch nach Geheimnis.
Was blieb, das war ein Adjektiv,
nach wittgensteinschem Gleichnis.
Diese Strophe scheint mir die Kernaussage Ihres Gedichtes zu sein:
LyrIch stellt (philosophische) Fragen, die anderen nichtig erscheinen, ihm aber wie ein Geheimnis vorkamen.
Der Erkenntnisvorgang wurde aus Abbilden der Realität verstanden. Die naiv-realistische Variante fasste die wirklichen Dinge dadurch als wahrgenommen auf, dass ihre Abbilder im Bewußtsein auftreten.
Dabei bildete LyrIch zwei abgeleitete Theorien (hier als Gleichnis): Die Widerspiegelungstheorie, in der alle dringlichen Eigenschaften und Beziehungen bei den Abbildern erhalten bleiben, und die Isomorphietheorie (von gleicher Gestalt), die sich nur auf die strukturellen Eigenschaften bei den Abbildern bezieht.
So blinde ich seit vielen Jahr’n
in unbekannten Welten,
die wiederum in ihren Schar’n
dem Unbewussten gelten.
Und so tappt LyrIch seit ewigen Zeiten im Dunkel von fremden Welten, die allerdings zuhauf in seinem Unterbewusstsein erscheinen, und ihn nicht zur Ruhe kommen lassen.
Und dieses wird mir dann und wann
bewusst in Zeit und Räumen,
Erkenntnis ruht im Augenblick
und transzendiert in Träumen.
Nur ab und an kommen LyrIch diese Gedanken ins Bewusstsein, mit denen er jedoch nichts anfangen kann. Nur in seinen Träumen erkennt er die Realität.
Ich denke, dass Sie hier eine klare Umsetzung der Abbildtheorie beschrieben haben, mit der sich Ludwig Wittgenstein unter anderem beschäftigt hat.
Gut umgesetzt, eloquent und mit ordentlichen Bildern versehen.
Fazit: Gut gelungen
Herzlichst
Prophezeiung
PS: Wäre auch ein tolles Thema für ein Sonett gewesenDie beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Die glaubt niemand! ***Max Frisch***
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13.11.2006, 00:36 #3
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Danke erstmal für's Kommentieren.
Ich möchte nochmal kurz auf die zweite Strophe eingehen und konkret am Beispiel des "Nichts" bleiben: mir ging es einfach nur darum, dass sogenannte philosophische Probleme sich oftmals sehr einfach lösen lassen, da es sich um sprachliche Missverständnisse handelt. So fragt man gerne (in jungen Jahre, was hier einfach nur als Stadium des ersten Fragens zu verstehen ist), was denn dieses große "Nichts" sei. Dabei handelt sich hier nur um ein linguistisches Problem: reduzierte man "Nichts" zum Adjektiv, nämlich "nicht", dann stellt sich das Problem gar nicht mehr. An dieser Stelle dann der Hinweis Richtung Wittgenstein, i.e. Sprachphilosophie. Im Englischen wird das Problem klarer: "nothing" ist einfach "no thing" und damit nicht existent. Ich weiß, dass ich an dieser Stelle sehr stark vereinfache.
Zur vierten Strophe: hier kommt das Thema der Abstraktion in den Wissenschaften dann wirklich zum tragen. Wirklicher Erkenntnisgewinn durch Empirie geschieht am konkreten Beispiel (im Augenblick), welcher in Ideologien und Dogmen münden kann (Wunsch-träume sozusagen). Hier könnte dann ein kleiner Diskurs über die Möglichkeit der Soziologie als Wissenschaft folgen, aber schießen wir nicht über's Ziel hinaus.
Sie sehen, das Gedicht ist nicht allzuweit von dem Ihrigen entfernt, allerdings bezieht mein lyr. Ich die gegenteilige Position. Ich hoffe jedenfalls, dass das Gedicht jetzt ein wenig klarer erscheint, wobei Ihre Interpretation so falsch ja nicht ist.
auf weitere Kommentare hoffend.
Pimpelhuber
Nachtrag: Vielleicht hat jemand einen Vorschlag für einen besseren Titel? Der von mir gewählte kommt mir mittlerweile recht blöd vor.Geändert von pimpelhuber (13.11.2006 um 01:02 Uhr)
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