Thema: Das Gespenst
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29.10.2006, 22:29 #1
gebügelt
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Das Gespenst
Es hat keinen Körper
ist nur eine Seele
und doch glaubt es garnicht,
dass ihm etwas fehle.
Beneidet die Menschen
nicht mehr um ihr Leben,
hat dies schon vor Jahren
mit Freuden gegeben.
Es klirrt mit den Ketten
und poltert herbei;
den Menschen sie banden,
der Geist ist nun frei.
edit:
Strophe 1 geändert:
Original:
Es hat keinen Körper
und auch keine Seele
und doch glaubt es nicht mehr,
dass ihm etwas fehle.Geändert von thamis (13.11.2006 um 20:41 Uhr)
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08.11.2006, 00:02 #2
getrocknet
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Hallo thamis,
da mir dein Erstlingswerk bislang am Besten gefallen hat, finde ich auch, dass ihm eine Antwort gebührt.
rhythmisch korrekt, daher auch schön zu lesen und passt zu einem kecken Stil, wie ich ihn beim lesen empfunden habe.
Dazu passt die nicht zu komplizierte Ausdrucksweise, die trotzdem nicht allzu sehr auf altgedientes zurückgreifen muss.
Auch die jeweils nur in 2. und 4. Zeile vorhandenen Reime finden bei mir Gefallen, da sie einerseits dem Text eine freie Art lassen, aber dennoch passende Harmonie verschaffen.
Nun zum eher inhaltlichen. Spontan hat mir die erste Strophe nicht ganz so sehr zugesagt, die beiden anderen dafür umso mehr. Also mal etwas genauer hinsehn:
Keinen Körper und keine Seele ist ein recht fesselnder Einstieg... allerdings, warum keine Seele, was ist es dann? Sagt man nicht es sei die Seele/der Geist der Menschen, die noch herumspukt?
"und doch glaubt es nicht mehr" finde ich leicht problematisch... seit wann glaubt es das nicht mehr? Seit es/er/sie tot ist? Das hieße es hat ihm als Mensch etwas gefehlt und nun nicht mehr.. Aber hat es denn dann alles? oder aber ist ihm alles egal.. Oder hat die Zeit diesen Glauben/dieses Gefühl mit sich gebracht?! Nichts gegen Mehrdeutigkeit, aber das Gedicht schreit vordergründig erstmal nicht danach und daher finde ich könnte hier noch nachgebessert werden. Die "Geschichte" finde ich darf hier ruhig klar sein, was man hineindeutet kann dann sicher vielfältig sein.
Natürlich ist das mit dem "nichts fehlen" eine schöne Anspielung darauf das es nichts mehr hat und doch finde ich die Strophe leicht undurchdacht/ungereimt und etwas oberflächlich - auch wenn das Platz für Tiefe schafft.
Zweite Strophe.. nun tut es wieder etwas "nicht mehr". Hier scheint es aber etwas deutlicher, dass dies über die zeit hinweg als Gespenst kam. Schöne Wendung/Akzent das "mit freuden gegeben". Könnte man natürlich präzisieren.. aber so ist es eine wunderbar klare Ansage mit großem Interpretationsspielraum. Kleine Zwischenfrage: Etwas muss es doch noch haben, um "Neid nicht zu empfinden" oder nicht? Vor allem wo es diesen wohl mal empfunden hat.
Ich muss sagen, ich mag die Aussage dieser Strophe.. mitsamt seiner Melancholie... dieses "ich beneide euch auch garnicht drum.. ich bin jetzt so zufrieden.. mit meinem nichts". Und nun wird man interessiert fragen: "wie kann das sein? wie kommt man zu solch wundervoller Gleichgültigkeit/Freiheit/Leichtigkeit (übrigens passend zum Stil).?"
Da kommt die dritte Strophe gerade recht und rundet schön ab. Ein altes Bild schön in einen neuen Rahmen gesetzt, dass Kettengeklirre. Es schaft die passende Geräuschkulisse. Es spielt mit seinen Ketten. Ich denke das ist die wichtige Botschaft. Und es geht aus sich heraus und poltert ganz ungeniert herbei. Und nun kommt die Lösung des Rätsels: Den Mensch haben sie gebunden, aber der Geist - sehr schönes Wortspiel zum Gespenst! - ist frei.
Ja, ein wirklich würdiger Abgang, für dieses Gedicht.
Und nun möchte ich es bei einem kurzen Denkanfang belassen. So ein glückliches Gespenst... es hat nichts mehr und ist seelig.. ist das nun anstrebenswert?.. oder verscheigt es uns da was; verdrängt es gar selbst?
Ich denke ich habe erstmal genug gesagt und denke dieses Gedicht hat noch andere Stimmen verdient! Ich hoffe es schaut einer vorbei und quält sich durch meine lange Antwort, die wiederum hoffentlich zumindest den Autor erfreut.. und sagt dann noch was und denkt hier mal weiter..
und die erste Strophe.. ich finde da könnte man wirklich nochmal drüber reden, weil es dann ein wirklich gelungenes Werk werden könnte - meiner bescheidenen Meinung nach - ohne dies ihm zum jetztigen Stand absprechen zu wollen.
also nochmal ein Willkommen und Glückwunsch zum schönen Start
gruss, .....
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13.11.2006, 20:50 #3
gebügelt
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Hallo .....
vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar!
Die erste Strophe habe ich überarbeitet, ich hoffe sie gefällt dir nun besser?
Jetzt zur Interpretation:
Die erste Strophe sollte nun klarer sein. Das Gespenst vermisst nichts mehr (S1) und schon garnicht das Leben der Menschen (S2). Auch wenn es dies zu Lebzeiten noch getan hat (das "mehr" suggeriert dies), weil es gefangen war und die anderen Menschen frei waren. Dies wird auch in der dritten Strophe deutlich: Das Gespenst war als Mensch gefangen und ist nun als Geist frei, weshalb es das "Mensch-sein" und das "am Leben sein" nicht mehr vermisst.
mit freundlichen Grüßen
thamisDo you need to see to believe? Believe and you will see!
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