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29.10.2006, 23:11 #1
Der Bauchpoet
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Die Tragik der Entscheidungen
Die Tragik der Entscheidungen
Entscheidungen,
die ich nicht treffen mag
und doch sehe ich sie
im Badezimmerspiegel,
wie die Nacht
die den Tag überdauert hat.
Gedanken,
die ich nicht mal denken will,
weil sie schon ungedacht
mir löschen was noch brennt.
Worte,
die ich nicht kennen mag,
weil ich,
spräche ich -
all das erschrocken
hinter mir lassen müsste.Geändert von Kerlchen40 (30.10.2006 um 10:54 Uhr)
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30.10.2006, 09:31 #2
Justizirrtum
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Hallo Kerlchen...
Zu interpretieren gibt es da für mich eigentlich nichts, ist alles klar und spricht
mich sehr an.
Entscheidungen, die getroffen werden müssen, wie oft schiebt man sie hinaus,
Worte, die man nicht sagen möchte... wie oft lässt man es einfach... Gedanken
sind frei, aber manches Mal erschrecken sie einem selbst...
Gern gelesen (öfters schon)
liebe Grüße
Shadow...neu: Düsteres TalMan sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche bleibt den Augen verborgen.
( Der kleine Prinz, Saint Exupéry )
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30.10.2006, 10:27 #3
Altes Reimschlachtross
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Lieber Stefan
ein Gedicht sehr nach meinem Geschmack, denn du greifst damit ein immer aktuelle Thema auf: Angst vor falschen Entscheidungen.
Gerade dann, wenn es sich um schwerwiegende Entschlüsse im ganz persönlichen Bereich handelt (z.B. die Trennung von einem Partner), die voraussichtlich starke Konsequenzen nach sich ziehen, werden wir häufig genug zögerlich und malen uns zumeist nur negative Bilder aus: was passiert mit mir, wenn...
Du hast diesen Prozess sehr anschaulich und wie immer schnörkellos auf den Punkt gebracht, wobei mir das Bild, wie das LI -sich im Spiegel betrachtend- merkt, dass die Nacht den Tag überdauert hat, insofern gut gefällt als es die ganze Schwere einer solch wichtigen wie evtl. auch sehr schmerzlichen Entscheidung eindringlich verdeutlicht.
Wir alle kennen doch diese enervierende Situation zur Genüge: eine Entscheidung muss zwar her, aber, was wird danach geschehen, was löse ich alles an Unberechenbarem damit aus? Und dennoch kommen wir immer wieder an den Punkt, wo es kein Zurück mehr gibt, wir uns, oft viel zu spät, nun doch entschließen müssen, welchen Weg wir gehen wollen.
Auch hier ist die Bandbreite von ständig lavierenden und endlos abwägenden bis hin zu resoluten, schnell entschlossenen Menschen sehr groß. Aber auch hier gilt: Verrat an sich selber, um einen anderen nicht zu verraten, bleibt dennoch Verrat und ist sogar der schlimmste, was zwar nicht unbedingt sofort einleuchten will, was aber schnell einsichtig wird, wenn man "Freiheit" als Synonym für Liebe setzt, denn wahre Liebe ist per Definition Freiheit und nichts anderes. Was wir im Allgemeinen unter Liebe verstehen ist im Grunde ein nonverbales Geschäft: Ich bin bereit dir dies zu geben, was erhalte ich von dir dafür? Alle Beziehunhgen scheitern früher oder später an der Unerfüllbarkeit dieses gegenseitigen Anspruchsdenkens: Befriedige meine Bedürfnisse und ich werde dich lieben. Die einmal gegebenen Versprechen können nicht mehr eingehalten werden, weil der Mensch sich permanent wandelt und mit ihm die Umstände. Und so gleitet fast jede Liebesbeziehung früher der später hinüber in den Frust, es kommt zur Trennung oder man entschließt sich, totunglücklich -nebeneinander her- weiterzuleben, der blanke Horror.
So, jetzt ist mir der Kommentar zwar ein wenig entglitten, aber ich denke, dass die lieben Mods ihn noch nicht für off topic halten...
Liebe Grüße
cruxGeändert von crux (30.10.2006 um 11:34 Uhr)
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30.10.2006, 10:33 #4
verbanntes Mitglied
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Zitat von kerlchen32
das ist wirklich der tragischste moment in ihrem gedicht: gedanken, die man nicht denken will. alleine schon der umstand, zu wissen, was man nicht denken will, zeigt das paradoxon. natürlich ist gemeint, dass das lyrische ich nicht weiter darüber nach-denken will, dass es die konsequenzen aus diesen gedanken nicht ziehen will, dass es die bedeutung der gedanken verdrängt. nur müsste man es aus meiner sicht dann auch anders schreiben, zumal diese ungedachten gedanken (wie geht denn das jetzt?) bereits eine abkühlung bedeuten. wie gesagt, das ist dann zwar tatsächlich in dem sinne tragisch, als es ausweglos ist, aber es ist auch schon zu spät. besser gefiele mir, man würde das "mal" gegen ein "mehr" eintauschen oder das attribut einfach weglassen, (gedanken, welche ich nicht denken will) da es mir ohnehin dem maß geschuldet erscheint.
obwohl die entscheidung ja bereits gefallen ist, denn das lyrische ich sieht sie am abend des tages bereits im spiegel (musste es der badezimmerspiegel sein? verdichten!). es sieht sich an und weiß, dass es innerlich bereits entschieden hat. irgendetwas ist in der nacht zuvor geschehen, was auch die betriebsamkeit des tages nicht hat auslöschen können. jetzt steht die nächste nacht bevor und das lyrische ich steht vor der entscheidung, ob diese wie die vorige ablaufen soll. es ist hin- und hergerissen, da es verstandesmäßig weiß, dass es sich dem nicht mehr aussetzen darf, emotional aber noch darauf brennt, es doch zu tun. was das immer sei, mag jeder nach geschmack für sich beurteilen, das gefällt mir.
die dritte strophe ist sprachlich etwas ungelenk, aber nicht ohne reiz. mindestens aber müsste die syntax umgebastelt werden: weil ich dich, spräche ich, erschrocken.... auch das erschrecken wirkt im zusammenhang seltsam. zwar mögen die entscheidungen noch nicht getroffen, die gedanken noch ungeordnet, die worte noch nicht ausgesprochen sein, aber erschrecken kann das lyrische ich an und für sich nicht mehr. jetzt wo ich das schreibe, fällt mir auf, dass strophe 1 und 2 die plätze tauschen müssten: erst kommen die gedanken, dann die entscheidungen, dann die worte.
aus strophe 3 mag eine beendete beziehungskiste herauslesen, wer mag (dich hinter mir lassen). mir gefällt der gedanke einer inneren auseinandersetzung besser. wenn das lyrische ich ehrlich zu sich, zu seinem spiegelbild ist, würde es die wahrheit sinnbildlich vor sich selbst aussprechen, um dieses spiegelbild dann hinter sich zu lassen: kehrtwende und gehen.
fazit: der titel ist gräßlich und im zusammenhang mit dem badezimmerspiegel überlas ich im ersten moment den tag und dachte nur: ja, du kennst den kerl zwar nicht, aber rasieren musst du ihn trotzdem. will sagen: das klingt ungewollt komisch. wenn man sich dann aber auf den text einlässt, kann man etwas daraus ziehen. mir ist es insgesamt etwas zu wenig, auch weil das zwiegespräch mit dem spiegelbild kein ganz taufrisches bild mehr ist, dennoch ist es nicht ohne reiz beschrieben. kein großer ästhetischer genuss, aber es kann bestehen, wie ich meine. auf jeden fall hat es vermocht, mich damit auseinandersetzen zu lassen.
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30.10.2006, 10:53 #5
Der Bauchpoet
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Albert Lau - wie schon beim Dichterplaneten erwähnt. Da ich weiß wer Du bist lege keinen Wert auf Deine Meinung. Du verschwendest also Deine Zeit!
Wenn Du wieder Theater macht wende ich mich auch hier an die Moderation.
Halt Dich also fern von mir. Ich denke wir haben uns verstanden! Hier und dort!
Schmatz
PS: Die anderen Antworten folgen später.Geändert von Kerlchen40 (30.10.2006 um 11:04 Uhr)
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30.10.2006, 11:55 #6
verbanntes Mitglied
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meine meinung ist ja nicht (nur) für sie bestimmt, herr kerlchen32 oder welchen namen sie auch immer bevorzugen mögen, sonst würde ich sie ihnen ja per pn senden und das verbäten sie sich mit voller berechtigung.
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30.10.2006, 12:45 #7
Slawische Seele
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Die Tragik der Enscheidungen
Liebe Kerlchen,
ich muss dir gestehen, dass dieses Gedicht mich lange gefangen hielt. Ich wurde nachdenklich und betroffen.
Du hast unendliche Diskussionen in ein paar Zeilen gekonnt verdichtet und mich damit sehr beeindruckt.
Ich mache es mir jetzt nicht leicht, erspare dir nur Wiederholungen, wenn ich anfüge, mich ganz und gar den Gedankengängen von crux anzuschließen, um die Wirkung deines Gedichtes zu loben.
Liebe Grüße
DanaDie Seele ist kein Wasser, dessen Tiefe gemessen werden kann. (ind. Sprichwort)
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30.10.2006, 22:47 #8
Der Bauchpoet
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crux,
Danke für Deinen wirklich treffenden Kommentar. Ich war mir nämlich beim letzten Vers nicht sicher ob ich es in Form einer Beziehung oder anderen schweren Entscheidung darstellen wollte. Ich entschied mich dann für die Möglichkeit es offen zu lassen. Von dem her hat mich eher die Arbeitswelt beschäftigt. Dennoch hast Du so wahnsinnig treffend geschrieben. Liebe ist ein noverbales Geschäft. Und so hart es bei aller Romantik klingt - keiner liebt den anderen auf Dauer nur aus Liebe der Liebe wegen. Da kämen wir alle nicht sehr weit. Es hat eben auch was mit Erwartungen, Regeln, Wünschen und Verpflichtungen zu tun. Was bringt uns eine glorreiche Liebe wenn wir uns auf nix verlassen können oder immer nur der Gebende wären. Du bringst mich dabei auch ne gute Idee für einen Text crux.
Dana
Dana - Danke was die Verdichtung der unendlichen Diskussionen betrifft.
Letztendlich habe ich mich auch unendlich damit beschäftigt.
Übung macht ja den Meister aus - grins
Shadowlady
Freut mich, dass Du auch hier bist. Mir schien Dir gefallen eher die blumigen Werke...aber da habe ich mich wohl geirrt. gern geirrt!
Gruß vom Kerlchen32
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